Montag, 31. März 2014

Was heißt eigentlich "SELBSTGEBOREN"?

Schon seit ein paar Tagen verfolge ich auf facebook&Co eine Diskussion unter dem Hashtag #selbstgeboren und Anna von BerlinMitteMom gibt auf ihrem Blog die Möglichkeit, Stellung zum Thema zu beziehen...

... einige von Euch verdrehen jetzt vielleicht die Augen, weil sie schon keinen Bock mehr auf diese ewigen Geschichten von Kaiserschnittmüttern haben, die da gerade durchs Netz gehen... und auch ich habe erst gedacht: Nee, da schreibste nix zu...

Aber ganz ehrlich, es lässt mich ja irgendwie doch nicht in Ruhe... und da es hier auf'm Blog halt nicht immer nur eitel Sonnenschein gibt, hab ich mich entschlossen, doch was dazu zu schreiben. Vor allem, weil das Thema durch die Kaiserschnittgeburt einer Freundin vor einigen Tagen eh wieder in mir arbeitete...

Ich hab mal eine passende Postkarte aus der FLOW rausgesucht, die ganz gut zu meiner Story passt...


Also, für die, die noch gar nicht wissen, um was es geht, ich erklär's mal kurz:

Eine Hebamme möchte, besonders im Hinblick auf die aktuelle Hebammendiskussion, zu diesem Thema ein Buch veröffentlichen und bittet Mütter, die ihr Kind SELBSTGEBOREN haben, ihr die Geschichten dazu zu senden... dabei geht es aber ausschließlich um Geburten, die komplett ohne medizinische Unterstützung wie z.B. PDA, Saugglocke oder Kaiserschnitt ausgekommen sind... so weit, so gut...
Mit Sicherheit war es keine Absicht, da ein sehr, sehr brenzliges Thema unter Müttern anzuschneiden und natürlich gibt es im Netz auch viele Frauen, die jetzt mal so richtig Gas geben und sich den angestauten Frust von Jahren (und teilweise auch zu völlig anderen Themen) von der Seele schreiben... über manches, was da von sich gelassen wird,  kann man sich echt nur wundern und den Kopf schütteln...

Aber aufgrund der offensichtlichen Tatsache, dass sich das Thema in der letzten Zeit scheinbar extrem weiter verschärft hat und viel mehr die Lager spaltet als noch vor 15 Jahren, bei meiner ersten Geburt, finde ich es umso wichtiger, einen klaren Standpunkt zu beziehen.
Mittlerweile hat die ganze Diskussion ja mit dem eigentlichen Ursprung schon fast gar nichts mehr zu tun, die sogenannten "MommyWars" sind voll entbrannt... ganz ehrlich: Wer braucht sowas?

Mich an dieser Art von Diskussion beteiligen, mag ich gar nicht...

Doch der Kern der Aussage SELBSTGEBOREN, auch wenn sie vielleicht gar nicht so gemeint war, hat mich dennoch sehr empfindlich berührt, bin ich doch eine Mutter, die so gesehen noch nie selbstgeboren hat... zwei Kinder, zwei ungeplante Not-Kaiserschnitte, zweimal nicht schön...

Kein abschließendes "Ich kann schon das Köpfchen sehn", kein "noch EINMAL pressen, dann ist es geschafft", kein kleines Wesen direkt nach der Geburt auf meinem Bauch, angelehnt an den GöGa, das stille Glück genießend...
Stattdessen zweimal kräftezehrende Wehen über viele, viele Stunden, einen geöffneten Muttermund von neuneinhalb cm (aber eben nicht zehn), ein Stagnieren, Kämpfen, Wehenförderer, Wehenhemmer, immer im Wechsel, Dauerzittern, Kreislaufkollaps, und dann noch 'ne OP obendrauf... eben NICHT schön...
Wenigstens konnte bei beiden Kaiserschnitten mit PDA mein Mann dabei sein... und beim zweiten Mal war ich auch besser vorbereitet und hatte meine Brille mit in den OP-Saal genommen... da konnte ich meine Tochter wenigstens sehen, als sie mir kurz gezeigt wurde B-)

Auf dem Zimmer dann nach der ersten Geburt kein Rooming-in für Kaiserschnittmütter, stattdessen ein hungriger Sohn, der schon blau geschrieen war,wenn ich nachts den beschwerlichen Weg zum Säuglingszimmer endlich geschafft hatte (hinterher hab ich mich immer mit dem Rollstuhl hinschieben lassen, war mir doch egal...) und wickeln konnte ich den Süßen auch nicht alleine am Anfang, konnte ja nicht stehen...

... bis dahin trotzdem alles noch irgendwie erträglich, hingenommen und in der Akte "Ist halt so" abgelegt...

... aber dann im Stillzimmer die ersten Sprüche: "Kaiserschnitt? Ach, hast Du es gut, ich kann kaum sitzen..." oder noch besser: "Na, da freut sich Dein Mann ja bestimmt... höhöhö..."
In der Stillgruppe dann die Steigerung: "Kaiserschnitt, oder? Na, WENIGSTENS das Stillen klappt bei Dir..." und Tuscheln hinter vorgehaltenen Händen...

Ich dachte echt, ich bin im falschen Film... bis dahin war mir nicht einmal bewusst gewesen, dass es allen Ernstes Mütter gibt, die einen nur dann richtig für voll nehmen, wenn man spontan entbunden hat... HALLO?!? Hatte ich etwa keine Arbeit gehabt, oder was? Waren die 9 Monate "Kotzerei" auch nicht weiter erwähnenswert... ging es nur um die Presswehen, die mir ja lediglich zur Spontangeburt gefehlt hatten?...
Selbst heute, mit einem Abstand von mittlerweile 15 Jahren kann ich über diese Ignoranz und herablassende Art noch kein bisschen lachen, kein bisschen...
... und damals schon gar nicht, gepaart mit Hormon-Kirmes und Babyblues ergab das Ganze eine völlig beklemmende Vorstellung... "ich hab's nicht bis zuende gebracht", "ich bin schlechter als die anderen", "ich kann eh nix richtig"... würg...

Bei der zweiten Kaiserschnitt-Geburt war ich dann schon irgendwie besser vorbereitet...
wir hatten es wieder viele Stunden auf "normalem" Wege versucht, es hatte wieder nicht geklappt, aber wenigstens wusste ich schon, was mich erwartete, als ich ins OP geschoben wurde, das gab mir Ruhe, auch wenn die Stunden zuvor im Kreißsaal viel schlimmer gewesen waren als beim ersten Mal... (ich durfte nur auf der Seite in einer einzigen Position liegen, lediglich für die Untersuchungen zwischendurch in die viel angenehmere und schmerzfreiere Rückenlage wechseln und diverse Nierenschalen hatte ich auch befüllt...) doch mit dem Weg ins OP kehrte Ruhe ein, ich entspannte mich, PDA sei dank, und auf dem OP-Tisch hab ich mich sogar mit den Ärzten unterhalten und Scherze gemacht... das war cool und ich erinnere mich gerne daran zurück.

Die Sprüche im Stillzimmer kamen trotzdem, aber diesmal konterte ich auf "Du hast es vielleicht gut, ich musste mit total vielen Stichen am Damm genäht werden" nur mit: "Ach echt? Bei mir haben sie nach dem Kaiserschnitt einfach offen gelassen..." und als Antwort auf "Ich kann gar nicht richtig sitzen", gab es nur: "Dafür darf ich nicht duschen... herrliches Gefühl im Wochenbett, denk mal drüber nach..."

Die gewisse Routine im Umgang mit dem Kaiserschnitt tat mir gut... und die Routine als Zweitgebärende mit dem kleinen Knirps  ja sowieso... es ging irgendwie alles leichter als beim ersten Mal und ich baute mir Hilfsbrücken, um doch ein relativ "normales" Miteinander mit meinem Kind zu haben... gewickelt wurde auf meinem Bett (das war diesmal voll elektronisch, eine Riesenerleichterung beim Hinsetzen), das Babybett wurde an einer Seite zu meinem Bett hin geöffnet (wieso hatte mir beim ersten Kind keiner gesagt, dass das ging?) und ich konnte jederzeit mein Baby berühren ohne aufstehen zu müssen... das war gut und dieses Gefühl, es nicht "richtig" geschafft zu haben, kam glücklicherweise gar nicht erst auf...

... und außerdem sah meine Kaiserschnittnarbe nach der zweiten OP auch viel besser aus als nach der ersten ;o)

Ich denke einfach, es war diese ausgestrahlte Zufriedenheit, die mich nach der zweiten Geburt vor den überflüssigen Kaiserschnitt-Sprüchen weitestgehend bewahrt hat... (und natürlich auch das Wissen darum, dass es diese Sprüche überhaupt gab...)


Auch, wenn es jetzt schon viele Jahre zurückliegt, hat das Thema mich ja scheinbar trotzdem nie ganz losgelassen, ich verstehe es bis heute nicht, warum einige Mütter glauben, sie wären besser als andere, nur weil sie es ohne medizinische Hilfe "geschafft" haben, warum können sie nicht auch andere neben ihren eigenen Erfahrungen gelten lassen?
Ich behaupte doch auch nicht, dass jede Spontangeburt ein Spaziergang ist, bei Kerzenschein und leiser Musik der Schmerz einfach weggeatmet wird und alles irgendwie "voll easy" ist... mir ist völlig klar, dass es auch da reichlich Horrorgeschichten gibt... und bestimmt viele noch kräftezehrender waren als meine... aber was ist da falsch und was richtig? Was gut und was schlecht?

... die Hauptsache ist doch, dass niemand dabei gestorben ist... und das wäre ich ohne den Kaiserschnitt wohl... und die Kids beide genauso... denn auch, wenn man es nicht glauben mag, mein Becken stellte sich im Nachhinein als sehr gebärunfreundlich heraus, sozusagen ein Knochen-Trichter, aus dem es für unsere Kinder keinen Weg in die geplante Richtung gab... wie z.B. die aufgescheuerte Kopfhaut unserer Tochter uns nach der Geburt bewusst machte, sie hatte so ein Gas gegeben, trotzdem da rauszukommen... ;o)

Was für ein Glück also, dass es den Kaiserschnitt gibt... ♥


+++


Vor allen, die bis hierhin gelesen haben, ziehe ich meinen Hut, schließlich war dieser Post ja nicht gerade einfach zu lesen... und auch nicht schön... aber es musste mal sein, zum einen für mich selbst, weil ich genau gemerkt habe, dass dieses Thema mich viel mehr beschäftigt als ich gedacht hätte und zum anderen, um allen Kaiserschnitt-Müttern und natürlich auch allen anderen Müttern, die unter der Geburt auf medizinische Hilfe zurückgegriffen haben oder greifen mussten, klar zu machen, dass sie keinesfalls schlechter sind als Mütter, die spontan und ohne diese Hilfe entbunden haben. Punkt.



P.S.: Eigentlich hattet Ihr hier heute das Ergebnis der Verlosung erwartet, ne? Ich versprech Euch, das kommt morgen... ♥